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Auf der "Allée der Vulkane" - Teil 1 - September 2019

Autorenbild: Sylvia ThielSylvia Thiel

... oder, wie man auch oft liest die "Straße der Vulkane", ein Name, den Humboldt dieser Andenregion südlich von Quito bis hinunter nach Cuenca verlieh.

In den Cordilleren der Anden speien auf einer Länge von 200 km etwa 73 aktive Feuerberge heute noch Asche und schleudern auch schon mal gewaltige Gesteinsbrocken in den Himmel, die später auf einem weitem Gebiet herunterfallen. Also, vielleicht auch einmal nach oben schauen, wenn es grollt und kracht!


Wer mehr wissen möchte, hier ein kurzes, aber interessantes Video…

Das unterirdische Treiben der Vulkane wird regelmäßig überwacht, um Eruptionen rechtzeitig vorherzusagen. Sicher ist nichts. Wem es nicht gelingt, einer Evakuierung innerhalb von fünf Minuten zu folgen, dem bleibt aber, sich in die erste Reihe zu setzen, um das grandiose Naturschauspiel aus der Nähe zu bestaunen.


Unterwegs nach Latacunga
Unterwegs nach Latacunga

Und mit dieser schaurigen Vorstellung empfängt mich der schneebedeckte, nun friedliche Cotopaxi (5897 m) auf dem Weg nach Latacunga, die Stadt, die dieser Vulkan im Jahre 1877 durch eine von ihm ausgelöste Schlammlawine vollständig verschüttete und auch im August 2015 mit einem gewaltigen Ascherregen überzog.


Latacunga erreicht man direkt mit dem "Trödelbus" je nach dem in vier bis fünf Stunden (4,50$). Diese Busse fahren nur zweimal am Tag von Otavalo, Terminal Terrestre und nehmen unterwegs jeden mit, der den Daumen in die richtige Richtung hält. Der Bus meidet Quito und fährt einen Teil der Strecke über die Landstraße. Nicht unbedingt in Eile genieße ich diese Fahrt mit verträumten Blick auf die schöne Landschaft. An einem Kreisel kurz vor der Stadt wird man "rausgeschmissen", um mit dem Taxi den Rest bis zum Zentrum zurückzulegen. Irgendwie schaffe ich es, mit der umsichtigen Hilfe der einheimischen Mitreisenden das hinzubekommen.


Latacunga


Abends in der Dämmerung erreiche ich Latacunga und meine Unterkunft, das schnieke Hotel Rodelu, am Plaza

Vincente Leon, einen zentralen Platz, umgeben mit Gebäuden im weißen kolonialem Stil, perfekt, um sich bei einem kurzen Spaziergang die Beine wieder zurecht zu biegen.



Latacunga ist Hauptstadt der Provinz Cotopaxi und liegt auf einer Höhe von 2760 m. Es ist hier merklich kühler.




Die Stadt ist Ausgangspunkt für zahlreiche Erkundungstouren in die imposante Naturlandschaft zu Füßen des Cotopaxi. Mein Plan für die nächste Woche ist, diesem sagenhaften Vulkan auf einer Wanderung etwas näher zu kommen.


La Laguna de Quilotoa


Lola, eine einheimische Lehrerin, greift mich vor einer verschlossenen Reiseagentur auf, fragt mich, was ich denn suche und wir kommen sofort ins Gespräch.


Das liebe ich in Südamerika: Niemals bin ich lange allein. Man kümmert sich um vermeintlich "verlorene" Menschen, fragt besorgt "Estas triste?" ("Bist du traurig?") und weiß ihnen dann einen unvergesslichen Augenblick zu bereiten.


Lola erzählt mir begeistert von der Laguna Quilotoa, die sie so sehr bewundert, zeigt mir den Busbahnhof, um den richtigen Bus dorthin zu finden und da er schon mal abfahrtbereit dasteht, steigen wir kurzerhand ein. Un plan de dios!


Mir ist nicht klar, dass es sich um eine Fahrt von zwei Stunden (1,50$) hinauf über die Serpentinen der Cordilleren zu diesem Kratersee handelt. Gegen meinen aufkommenden Schwindel verteilt Lola ihre gerade in Latacunga erstandene köstliche Schokolade. Süßes ist ein Rezept gegen die Höhenwehwechen. Ich bin schnell drüber hinweg, weil mich Lola erfrischend unterhält, so ausgelassen lacht und so angenehm zu plaudern weiß, dass ich nur ganz nebenbei diese grandiosen Aussichten genießen kann.


Wir steigen in dem Dorf Zumbahua aus. Hier hat Lola einmal gearbeitet und kennt sich bestens aus. Auf der Feria, dem Wochenmarkt, baut man schon die Stände ab, aber eigentlich wollen wir ja auch zur Lagune. Dorthin kommt man nur mit Pickups weiter, die weiter oben auf die Touristen warten. Lola hält in der Nähe der Feria einen Bewohner auf dem Weg Richtung Quilotoa an, der uns bereitwillig mitnimmt (4$), uns durch den Eingang des Parks eintrittsfrei schmuggelt

(sonst 2$) und uns sozusagen vor der Haustür rauslässt.


Die Gegend um den Kratersee hat sich sehr touristisch eingerichtet. Lola erzählt, dass es vor 15 Jahren nicht ein einziges Geschäft oder Restaurant hier gab, die Aussicht und die Wege hinunter zur Lagune noch kostenfrei zu genießen waren. Dennoch. Trotz aller Vermarktung dieses Ortes geht man sehr behutsam mit der Natur um.

Aber auch die Picuñas lassen sich nicht mehr umsonst für das Foto beschmusen.


Die Laguna de Quilotoa hat einen Durchmesser von 3 km und ist bis zu 250 m tief. Sie liegt in einer Höhe von ewta 3000 m. Man muss zu ihr hinuntersteigen, kann es aber auch auf einem Pferd hinunter wagen und auch wieder hoch reiten. Jeder Weg ist unterschiedlich lang und nie gratis.


Ich gebe Lola recht, dass der Abstieg hinunter ans Ufer gar nicht nötig ist. Der Ausblick hoch oben über den grün schimmernden See ist überwältigend und hat etwas Heiliges an sich. Die Farbe der Lagune ändert sich jedesmal, wenn die Wolken über ihr ziehen. Wie schon vor dem Vulkan Imbabura verspüre ich intuitiv mich verneigen zu wollen vor so vollkommener Naturschönheit.

Lola erzählt von einem Brauch der Indios, die sich vor Eintritt in ein solches Gebiet verneigen und um Schutz und Aufnahme bitten. Dann knien sie nieder und vergraben eine Opfergabe in die Erde und werden Teil dieses geheiligten Ortes, welcher ihnen nun gestattet, beschützt dreimal hier herzukommen. Wir beide sprechen hier, unseren Blick gerichtet auf das grüne Wasser, über unsere tiefe Verbundenheit zur Spiritualität der Indios und sie wird mir später eine ganze Lektion darüber erteilen.


Ich lade sie ein zu einem vegetarischen Almuerzo in einem der Restaurants in der Nähe und mir wird bewusst, was für ein Glück mir heute in den Schoß gefallen ist. Lola schlägt mir vor, das nächste Wochenende gemeinsam zu verbringen und in Riobamba die Wanderung zum Chimborazo mit einem guten Freund zu organisieren. Claro que si!


Sie arrangiert einen Pickup für den Rückweg, der für mich dort stoppt, wo die Erde sich einmal tief öffnete und verschob, um tiefe Schluchten zu hinterlassen: am Mirador Toachi. Spektakulär!



Auf der Rückfahrt im Bus tue ich es den Indios gleich und folge dem Rat Lolas, auf der kurvenreichen Fahrt meine Augen zu schließen und etwas Süßes zu lutschen, damit die Übelkeit vergeht. Nach dem schlimmsten Teil gibt sie mir Entwarnung und wir plaudern weiter. In Latacunga verabschieden wir uns nicht ohne uns neu zu verabreden. Ziemlich erschöpft, aber glücklich kehre ins Hotel zurück.


Baños an nur einem Tag


Man kommt nicht umhin über die Stadt Ambato nach Baños zu fahren. Von Latacunga aus nehme ich den Bus (3$), steige dort um und erreiche nach etwa drei Stunden das beschauliche Städtchen Baños de Santa Agua ("Bäder"). Es liegt am Fuße des noch sehr aktiven Vulkans Tungurahua (tunguri=Schlund, rahua=Feuer, 5060m). Neben mir sitzt ein alter Mann, der mit mir zusammen die immer grüner werdenden Landschaften betrachtet.


Baños ist hübsch anzusehen, viel grüner und merklich wärmer. Im Zentrum befindet sich die Kirche Virgin de Agua Santa. Hier treffe ich auf einige "Hermanas" , die mich heute noch öfter begleiten werden.

Geht man durch die bunten Straßen, erlebt man Baños zuerst als ein für den Tourismus feingemachten Ort mit vielen Reiseagenturen, originellen Restaurants und Cafés und natürlich allerlei traditionsbeladener Souvenirläden. Der Ort wird beherrscht von der Backpackerszene, den Mochileros, die in den hippiestylischen, farbig- blumigen Hostals und Hospedajes der Innenstadt eine allerdings nicht so üblich günstige Bleibe finden und schnell weiterziehen.


Ich lass mich ein bisschen durch die Straßen und Gassen der bunten Stadt treiben und mich von ihrem sehr unbekümmerten und entspannten Ambiente einnehmen. Zwei ältere Herren unterhalten die Stadt mit einem herzzerreißenden alten Liebeslied. Wirklich ergreifend!


Im gemütlichen Café "honey, coffee & tea" zelebriert man Kaffeetrinken ganz in meinem Sinne und unterhält mich mit allerlei Aphorismen über das Dasein ohne und mit diesem berauschenden Getränk. Mich wundert das etwas, weil die Ecuadorianer so gar nicht die leidenschaftlichen Kaffeetrinker sind, obwohl es an einem qualitativ hochwertigen Kaffeeanbau nun wirklich nicht fehlt. Naja, dann mögen ihn wohl eben die Touristen.




Zufällig und eher aus Neugier schaue ich in einen hübschen Hinterhof, der mich zu einer Kunstgalerie führt. In der Remise eines kleinen alten Hauses erblicke ich ein paar sehenswerte Gemälde ansässiger Künstler, die der Patron des dazugehörigen Cafés gern besichtigen lässt. Mir gefallen die leuchtenden Farben und die traditionellen Motive dieser Malereien.



Baños wirkt wie ein Kurort. Das verdankt diese Stadt schwefelhaltigen heißen Quellen, die hier entspringen. Eine, die Therma de la Virgen, liegt unweit vom Zentrum und verlockt zu einem wohltuenden Bad im Pool ... oder lieber doch nicht?


Gleich daneben bestaune ich den Wasserfall dieser Quelle, deren Wasserwolke wie ein feiner Dschungelregen über mich fällt. Ich frage mich, nach welcher Art des Badens ich mich wohl gereinigter fühle. Die Cascada gilt als heilig und steigt man die Treppe hinauf zur Empore, wird der Besucher von der heiligen "Virgin" (?) zur Anbetung erwartet. Diese Anbeterinnen treffe ich nun zahlreich wieder.




Mit dem kalten, aber dennoch sanften Quellwasser kann man sich weiter unten an kleineren Auffangbecken heilig waschen oder auf rituelle Weise reinigen oder sich eben einfach nur mal Gesicht und Hände waschen. Es fließt beruhigend daher.



Spa überall

Bei so viel Kurlaub- Gefühl fehlt doch nur noch eine wohltuende Massage. Et voilà! Angesichts der unzähligen Massagestübchen glaubt man sich im Spa-Mekka Ecuadors wiederzufinden.


Baños ist sicher einen Abstecher wert. Aber auf der Suche nach einem authentischen Lebensgefühl und einer traditionell geprägten andinen Lebensweise, an denen ich teilhaben möchte, zieht es mich zurück nach Latacunga und ich beschließe, nicht länger als nötig in Baños zu verweilen und den Touristen aus aller Welt dieses Glück von "Bäder&Spa-Baños" neidlos zu gönnen.


In Latacunga angekommen buche ich in einer Agentur für den nächsten Tag einen Aufstieg zum Vulkan Cotopaxi. Sie liegt in einer Nebengasse, deren pittoreske Wandmalerei das Frida-Kahlo-Motiv zieren. Im Café Canumi daneben lass ich mich ein auf eine heiße Schokolade gewürzt mit etwas Kardamom und einem köstlichen mexikanischen, dazu noch vegetarischen 3-gängigen Menu (4,50$) ein.


Zusammen mit der jungen Mexikanerin Jacqueline, die mir das Essen serviert, komme ich ins Schwärmen über die Künstlerin Frida Kahlo, bei der ihre Großmutter, Kinder ihres Mannes Diego Riviera gehütet hat. Faszinierend!


Jacqueline hat auch die witzige Idee für dieses Foto vor dem Wandbild des Cafés:

Als ruhe der Schmetterling Fridas auf meiner Hand! Dazu die an die weiße Wand geschriebene Frage der Künstlerin:

Pies.¡Para qué las quiere si tengo alas para volar?


Füße. Warum sollte ich sie wollen, wenn ich doch Flügel zum Davonfliegen habe?



Saquisilíi


Am letzten Tag fahre ich eine halbe Stunde mit dem Bus (60 Cent ) in die geschäftstüchtige Stadt Saquisilí. Der Reiseführer rühmt den großen Wochenmarkt, la Feria, jeden Donnerstag. Es ist ein Ereignis, zu dem alle Menschen, der umliegenden Gemeinden und Dörfer sich treffen, um alles mögliche zu handeln.


Mir begegnet ein unvorstellbares lautes, geschäftiges und hektisches Treiben in der gesamten Innenstadt. Mir ist gar nicht wohl, beim Anblick des Tiermarktes, aber am Stand mit den traditionellen Röcken der hiesigen Indio-Frauen bleibe ich eine Weile stehen, um zuzuschauen.



Es ist so ganz anders hier als auf dem Kunsthandwerkmarkt in Otavalo...




Morgen ziehe ich weiter Richtung Riobamba zum sagenhaften Chimborazo, das wohl erkenntnisreichste Forschungsobjekt Humboldts.


Tuparishun. Nos vemos. Wir sehen uns.


(... wenn ihr euch anmeldet, könnt ihr mir auch schreiben. Geht auch direkt per Email! Freue mich, von euch zu hören!)



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