São Paulo ist ein teuflischer Gigant, der jeden zur Begrüßung nicht nur kräftig die Hand schüttelt, sondern den Fremden auch in den Armen von unzähligen Wolkenkratzern, unendlichen Menschenströmen und wuseligen Geschäftsleben erdrückt. In einer unüberschaubaren Anzahl von "Churrascarias", Bars und Nightclubs lädt es dich unbarmherzig zum Essen und Feiern den ganzen Tag über ein. Erstklassige Museen und eine extravagante Künstlerszene sorgen für ein hochklassiges Kulturambiente. Und trotz enormer Straßenarmut, Kriminalität, lärmenden Verkehrschaos, Müll- und Luftverschmutzung liebt jeder Sampaño diesen Stadtriesen und bleibt eine Weile oder auch für immer.
In dieser 19 Millionen Einwohner Stadt beginnen meine brasilianischen Weihnachten. Auf der langen Busfahrt hierher sehe ich endlich in einer Raststätte einen festlich geschmückten Weihnachtsbaum à la Südamerika.
Ich finde ein ziemlich in die Tage gekommenes Hotel im Centro rund um den Praça da República, das nach einer Feria am Sonntag sichtlich Spuren der feierlichen "Verwüstung" hinterlassen hat und gar nicht einladend auf mich wirkt. An der kleinen Kirche um die Ecke wird immer noch getrommelt und getanzt bis zum Umfallen.
Am Morgen danach inspiziere ich im weihnachtlich geschmückten historischen Zentrum das barocke Gebäude des Teatro Municipal und die Cathedral, die Wahrzeichen des Viertels. Dort in der Nähe traue ich meinen Augen kaum. Ist das ein Weihnachtsmarkt? Naja, netter Versuch! Die Kunsttanne macht es auch nicht besser!
In São Paulo bin ich nur zwei Tage auf der Durchreise. So bleibt mir wenig Zeit, diese Monster-City zu entdecken. Unweit meines Hotels schlendere ich durch bunte Häuser- und Geschäftsstraßen zum Mercado Municipal. Ich bin nun wirklich kein Shopping-Crawler, aber ich komme nicht umhin von den kauflustigen Menschenscharren mitgerissen zu werden, um mir allerlei weihnachtlichen Krimskrams, Chichi und haufenweise chinesische Billigwaren anzuschauen. Wer braucht denn nur diese Unmengen von unnützen Zeug?
Der riesige Mercado Municipal ist ein echtes Gourmet-Erlebnis, der allerfeinste Schlemmereien zu bieten hat und dessen Stände mit exotischen Früchten, großartigem Käse- und Schinkensortiment unwiderstehlich zum Probieren und Kaufen verführen. Ein Paradis für Feinschmecker. In der oberen Etage befindet sich eine hervorragende Gastronomiemeile, der den Besuch mit einem guten Mittagessen abrunden könnte, wenn man sich nicht vorher schon satt probiert hätte.
Aber es geht eben auch mal ums Ambiente und um eine kleine Verschnaufpause in diesem Schlemmermekka.
Nachmittags zieht ein kräftiges Sommergewitter über São Paulo. Es ist also in kluger Absicht gewählt, im ältesten Museum, der Pinacoteca do Estado vorbeizuschauen, das eine große und wie ich finde, beachtliche Sammlung zeitgenössischer Kunst aus Südamerika und darüberhinaus enthält. Der Eintritt kostet etwa 2 Euro. Es ist auch von seiner architektonischen Bauweise sowohl von dem backsteinförmigen Äußeren, als auch den Säulengängen im Inneren ein beeindruckendes Gebäude. Hier eine Auswahl meiner Lieblingsaustellungsstücke! Aber das ist bekanntlich ja auch immer Geschmacksache.
Einen Tag nehme ich mir Zeit, um das Künstlerviertel Vila Madalena zu entdecken. Es wurde mir von brasilianischen Freunden sehr ans Herz gelegt, es nicht zu verpassen. Irgendwie finde ich einen passenden Bus dorthin, der mir die bekannten Wolkenkratzer- Galerien zeigt. Der Busfahrer lässt mich mitten in diesem Viertel aussteigen mit einem unsicheren Gefühl, den Rückweg wiederzufinden. Ich nehme es südamerikanisch gelassen. Wird schon klappen! Zufällig finde ich mich in kleinen Gassen schönster Streetart-Malereien mit originellen Motiven umrahmt von hippen Cafés und Restaurants mit alternativen Touch wieder. Richtig schick!
Es ergießt sich erneut ein starker Sommerplatzregen über die Stadt und kurz entschlossen hüpfe ich in das nächstgelegene hippe Restaurant, das ein unerwartet leckeres veganes Mittagsbuffet bereithält mit "All-you-can-eat" für 8 Euro und einer kleinen Tienda mit vielen Naturprodukten von der Kosmetik, über Kleidung aus reinen Naturfasern und Bio-Lebensmitteln alles ein wenig im buddhistischen Spirit eingebettet. Ein ungewöhnliches Erlebnis. Das "Alternativa Casa do Natural" führt ein Portugiese, der mir freundlicherweise erklärt, wie ich ein Buffet in Brasilien " in Angriff" nehme. Schon eine ungewöhnliche Weise, aber ein absoluter Geheimtipp!
Es ist wirklich nicht einmal ansatzweise möglich, São Paulo in zwei Tagen einzuatmen ... sowohl in positiver als auch nicht so angenehmer Weise. Die Vielfalt der Angebote ist grenzenlos, das Nachtleben geht oft am Tag weiter. Die Menschen sind begeistert, verrückt und immer hart am Feiern, sie zelebrieren die Musik, den Tanz. Dennoch lässt sich nicht leugnen: Die Luft ist immer dünn und voller schwerer Gerüche, die schlafenden und betrunkenden Sampaños auf den Gehwegen, um die sich niemand zu sorgen scheint... es ist gut für mich, erstmal weiterzuziehen. Meine Füße beginnen zu schlurfen, ich trage ungeordnete Eindrücke mit mir herum und viele Reisegedanken schwirren in meinem Kopf herum, die ich gern einmal zu "Papier" bringen würde ... es ist Zeit für eine Verschnaufpause, für besinnlichen Weihnachtsstimmung. Morgen erreiche ich mein vorläufiges Ziel Recife im Norden Brasiliens. Anas Mutter erwartet mich in Olinda, der Zwillingsstadt daneben. Ich bin so gespannt, die Familie von Ana, der Freundin meines Sohnes kennenzulernen. Meine Kinder Anna und Ole werden ebenfalls aus Deutschland anreisen. Es werden wunderbare weiße Sandstrand-Weihnachten mit Sommersonne und Caiperinha statt Glühwein und mit den mir liebsten Menschen ganz nah bei mir und die in der Heimat in meinem Herzen.
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