All die versunkenen Erinnerungen erwachen, wenn ich erneut die vergangenen Wege in Buenos Aires suche, die mir vor 11 Jahren bei meinem ersten längeren Besuch einer Sprachschule, der ECELA, die ich heute in der Calle Junin leider nicht mehr finden kann, so vertraut erschienen.
Ich krame noch einmal alte Fotos heraus, die mir aus dieser Zeit geblieben sind und erinnere mich auch an die "Estudiantes" und "Maestros" von damals, die ich immer noch auf Facebook treffe: Ali, Stacey, Annabel, Roccia, Ryan, Lola, Emmanuel ...11 Jahre sind vergangen!
Es war ein Glücksgriff für die erste Begegnung mit Südamerika diese mitreißende
Tango-Stadt zu wählen, deren Einwohner sich selbst Porteños nennen und scheinbar schon in ihrem sehr eigenen Dialekt den Tango-Sound mitschwingen lassen. Nach Buenos Aires sind viele Italiener und Spanier, weniger auch Deutsche immigriert, die die Lebendigkeit der Stadt sehr geprägt haben. Ich bin auch dieses mal wieder begeistert von dieser Stadt, die Witz und Beschwingtheit versprüht und die, so scheint mir, einige Neuigkeiten zu verkünden hat.
Der Tango- Geist schwebt gleich in meinem Hostel "Hotel Parada" mit einer fabelhaft zentralen Lage unweit der Avenida 9 de Julio mit großzügigen Zimmern und einen hübschen Patio.
Da ich nur zwei Tage "durchreise", mache ich mich schon gleich nach einem kurzen Check-in auf einen Spaziergang ins Zentrum, wo ein Straßenfest stattfindet.
Es ist unmöglich, die breiteste Straße der Welt, die Avenida 9 de Julio mit nur einer Ampelschaltung zu überqueren. Man muss schon zwei oder dreimal Anlauf nehmen, um endlich zur anderen Seite zu gelangen. Früher gab es hier auch keine moderne Trolleybus- Linie und auch keine gesicherten Fahrradwege. Also verkehrstechnisch hat sich Buenos Aires echt gewandelt.
Auf der Avenida de Mayo entdecke ich zufällig das allseits bekannte Café Tortoni mit allerlei Schnickschnack: mit Gemälden ehemals eingekehrter Künstler und Kunstsammler an den samtrot verkleideten Wänden, mit alten schwarz-weiß Fotos gefüllten Glasvitrinen, die berühmte Leute aus Politik und High Society zeigen, die sich hier einmal die Ehre gaben und feine Skulpturen. Selbst ein verzauberter Blick nach oben an die reich verzierte Buntglas- Decke reicht nicht, um die feinen Details dieser im französischen Stil gehaltenen Inneneinrichtung nur mit einem Besuch zu erfassen. Es soll hier auch Führungen geben. Die galanten Kellner lassen gerne ihr traditionsreiches Café fotografieren und tun mir den Gefallen, auch einmal hier abgelichtet zu sein samt einer Einladung in eine Milonga am Abend...nett!
Aus welchem Grund auch immer der Tischboy vor der Eingangstür mich aus der Touristenschlange ruft, um mir vorzugsweise einen Tisch zuzuweisen, bin ich nicht zögerlich das Angebot anzunehmen, um in diesem berühmten Kaffeehaus im extravaganten Ambiente des Fins du siècle das Tässchen Schokolade zu trinken.
Es wurde 1858 vom Immigranten Touan aus Paris eröffnet und auch später an französische Besitzer weitergegeben. Im Keller finden vorzügliche Tango-Shows und Jazzmusikabende statt. Bei meinem letzten Besuch hatte ich Gelegenheit, eine Tangoshow zu sehen. Hervorragend und sehr aufregend!
Weiter die Avenida de Mayo hinauf beginnt das Straßenfest, das scheinbar unter dem Motto "Gegen AIDS" steht. Aber es ist wohl eher so, dass die Argentinier sich mal wieder am besten selbst zu feiern wissen: mit kühlem Bier, kleinen Konzerten lokaler Musiker und den typischen traditionellen Straßenverkäufern mit Lederschmuck, Matetee- Gefäßen, T-Shirts von Che Guevarra, Christina Kirchner und Co... Dann erinnere ich mich an die derzeit geöffneten Weihnachtsmärkte in der Heimat. Vielleicht ist es ja so ähnlich.
Schließlich stehe ich auf dem Plaza de Mayo, an dessen Ostseite sich der Präsidentenpalast befindet. Hier traf ich 2008 die "Madres de la Plaza Mayo", die hier immer noch wöchentlich protestieren, um auf das Verschwinden ihrer Söhne und Töchter in der Zeit der Militärdiktatur (1976-1983) aufmerksam zu machen und dessen Aufklärung einzufordern. Obwohl vor kurzem eine neue und dieses Mal linke Regierung gewählt wurde, erlebe ich auch hier Protestmärsche. Das kann doch wohl nur eine solidarische Geste mit den anderen Ländern sein, oder?
Am nächsten Tag zieht es mich in das Barrio Recoleta, nicht nur der Ort meiner ersten Spanisch-Sprachschule, sondern auch das des ungewöhnlichen Friedhofs, den viele Touristen wegen der immer noch verehrten Ex-Primera Dama Eva Perón, die hier im Mausoleum der Familie Duarte auf Umwegen zu Grabe getragen wurde, besuchen.
Über María Eva Duarte de Péron, im Volk "Evita" genannt, ist schon sehr viel geschrieben worden. "Don't cry for me Argentina", das Lied, das von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice für das Musical "Evita" 1976 erschien, existiert in mehreren Versionen. Mir persönlich gefällt die Originalversion von Julie Covington am besten. Danke, Mami, für diese Erinnerung! Das Musical gibt es auch als Film (1996) mit einer schlaffen Madonna in der Hauptrolle (neben einem grandiosen Antonio Banderas!)
Es lohnt sich das Museum über Eva Perón in Buenos Aires zu besichtigen, das ihre Geschichte erzählt und einige ihrer exklusivsten und elegantesten Kleider und Handschuhe zeigt. Für mich bleibt sie eine einzigartige Frau! Aber urteilt selbst, ob sie immer noch eine Heilige oder einfach nur noch eine nostalgische Erinnerung an bessere politische und sozial gerechtere Zeiten in Argentinien ist.
Der Recoleta-Friedhof birgt imposante Krypten, Mausoleen und Pantheons der einst wohlhabenden Familien Argentiniens des 19. Jahrhunderts, die teilweise zerfallen, weil Nachfahren die hohen Ausgaben der Erhaltung scheuen oder einfach ausgewandert, verstorben oder eben nicht mehr reich sind. Sie lassen die Gruften verfallen.
Ich bewohne nicht einmal zu Lebzeiten solche grandiosen Häuser!
Eine der sehenswerten Mausoleen ist das der Familie Sarmiento. Domingo Faustino Samiento war der Gründervater der nationalen Bildungspolitik Argentiniens.
Der Stadtteil Recoleta ist unbedingt einen Spaziergang wert und ein Geheimtipp für ein gutes Essen in einen der hübschen Cafés oder ein geruhsamen Picknick auf einem der vielen grünen Plätze.
Auf dem Rückweg laufe ich durch die große Einkaufsstraße "Florida", die mich zunächst langweilt wegen der die Touristen anschreienden Dollarwechsler, die hier wie gesät herumlaufen und nerven.
Aber dann bietet sich mir doch noch eine Gelegenheit, den Tango-Geist dieser Stadt live zu erleben. Sensationell !
Buenos Aires strahlt und tanzt und und ist mitreißend ... auch noch nach elf Jahren!
Vom Busterminal Retiro starte ich zu den Cataratas Iguazu, 17 Stunden Busfahrt zur nördlichsten Sitze Argentiniens.
"Don't cry for me Buenos Aires.
The truth is I never left you
All through my wild days
My mad existence
I kept my promise
Don't keep your distance."
... scho me sentó bien ascha ...
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