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  • AutorenbildSylvia Thiel

Cotopaxi - Aufstieg gen Himmel



Heute besteige ich den Vulkan Cotopaxi und erfülle mir einen der hundert Träume, die das Leben sich so wünscht und die Wirklichkeit werden sollen. Es ist ein recht abenteuerliches Unternehmen und eine echte Challenge.

Der Vulkan Cotopaxi ist umgeben von einer weiten vielfältigen Vulkanlandschaft mit wechselnder Vegetation. Er ist mit 5897 m Höhe der zweitgrößte Berg Ecuadors. Trotzdem er noch sehr aktiv ist, ist er der meistbesuchte Gipfel des Landes.

Er wird geschützt vom gleichnamigen Nationalpark, dem zweitgrößten des Landes.


Der Name des Vulkans ist indigenen Ursprungs und bedeutet "Hals des Mondes". Für einen Tag im Jahr steht der Mond wie ein Kopf so direkt über dem Vulkanschlund, dass man seine schneebedeckten Hänge für einen Poncho halten könnte.

Im Inkareich galt der Berg als heilig, weil er Regen spendete und Fruchtbarkeit garantierte. Man hielt ihn für den Sitz ihrer Götter.


Alexander von Humboldt war der erste Europäer, der 1802 versuchte, diesen Berg zu besteigen und erreichte eine Höhe von etwa 4500 m.


Und heute werde ich es versuchen.

Wir sind eine Gruppe von fünf Leuten, vier Spanier und ich, eine Deutsche. Wir begeben uns in die erfahrenen Hände des einheimischen Guías Alex, der diese Vulkanroute fast täglich mit den Touristen hochsteigt. Er holt uns mit einem Pickup ab und fährt mit uns eine drei viertel Stunde bis zum Eingang des Nationalpark Cotopaxi, wo er unsere Gruppe registriert. Man bezahlt hier den Eintritt.


Einige kultivierte Pinienplantagen ziehen vorbei und dann beginnt eine so wechselnde Vulkanlandschaft, die die geologische Geschichte eines lebenden Vulkan imposant widerspiegelt. Enorme Gesteinsbrocken verteilen sich über die weite Landschaft, hinausgespieen von vergangenen heftigen Eruptionen und sind dann vom Himmel gefallen. Es ist also klug, im Falle eines Falles nicht nur vor den heißen Lavaströmen davonzurennen oder den Aschewolken zu entfliehen. Auch ein vorsorglicher Blick auf den Gesteinsregen vom Himmel rettet das Leben. Na, wer es glaubt!


In der Ferne erblicken wir den erloschenen dreizackigen Vulkan Rumiñahui (rumi=Fels, ñahui=Gesicht) mi 4721 m Höhe. Die Vegetation wird sichtbar karger.


Und dann erscheint er vor unseren Augen in göttlicher Schönheit und erwartet uns mit einem Wolkenwattebausch geschmückt, von der Sonne angestrahlt, so dass der Schnee, der ihn bedeckt, noch weißer erschien. DER COTOPAXI.



Dann geht es weiter hinauf zum zentralen Parkplatz, der etwa in einer Höhe von 4400 m liegt. Von dort soll der Aufstieg beginnen. Die Natur wechselt ihre Farben und ihre Fülle. Ein saftiges Grün erblasst. Üppige Graslandschaften verschwinden, kleine blühende Gewächse stecken hartnäckig im kargen Ascheboden. Es offenbart sich ein Blick in unendliche Weiten.

Bevor wir aufsteigen zu den Gletscherkanten auf einer Höhe von etwa 5000 m schnüren wir die Kleidung zurecht, um den kräftigen Wind und der kalten Luft hier oben zu trotzen: es sind um die 4 Grad , wir brauchen Handschuhe, eine Mütze, einen Mundschutz und eine Brille , um den staubaufgewirbelten Aschesand nicht zu schlucken oder in die Augen zu bekommen.


Der Aufstieg ist eine echte körperliche Herausforderung. Die Luft ist hier merklich dünner. Die Ohren sausen, die Organe des Körpers weiten sich, weil sie mehr Sauerstoff wollen, das Blut rauscht schneller, im Kopf beginnt es sich manchmal zu drehen. Der Marsch nach oben gelingt nur seeehr langsamen Schrittes, nach einigen Metern und nach längeren Anstiegen immer mit einem kurzen Halt zum Verschnaufen, die mit einmaligen Aussichten tröstlich und beruhigend wirken. - Ein Blick über die unendlichen Weiten erinnern mich an leere Mondlandschaften. - Es hilft unterwegs ein Coca-Karamel oder Schokolade zu lutschen, die den Körper aufpeppen. Überkommt einen dennoch die Höhenkrankheit (el soroche), kann nur eine einzige Medizin helfen: sofort absteigen! Das bedeutet niemals eine Niederlage, sondern ist mehr als vernünftig. Die Höhenkrankheit passiert den bestem Bergsteiger und kann gefährlich, sogar tödlich sein. Überhaupt sollte man sich im Voraus gut überlegen, worauf man sich einlässt. Schaffen kann es jeder!


Der Aufstieg

Während der Pustepausen (mit Blick auf die Mondlandschaft)


Die Gletscher sind auch hier infolge der globalen Erderwärmung weit zurückgeschmolzen. Dort, wo das Lavagestein bräunlich- rot gefärbt ist, lag früher noch das Eis der Gletscher. Bei einem Ausbruch des Vulkans strömt so glutheiße Lava aus dem Schlund über die Gletscher, dass diese sofort schmelzen und ihr Wasser mit Gesteinsbrocken, Geröll und Sand zu einer riesigen Schlammlawine wächst und die Hänge hinunter ins Tal wälzt und alles zerstörerisch mitreißt. Die Stadt Latacunga wurde 1877 von einer solchen Walze fast vollständig verschüttet.


Nach gut anderthalb Stunden nähern wir uns dem Ziel. Der Marsch hier her ist wie ein Kampf gegen sich selbst. Im Kopf toben die Gedanken: eine Mischung aus Wut, sich auf diesen Wahnsinn eingelassen zu haben, ein lange verspürter Druck innerer Unruhe, die man nun glaubt aufzulösen, ein unbändiger Drang durch einen lauten Schrei sich zu befreien. All das wird passieren, wenn man es doch nur schafft zu diesem einen Ziel zu kommen. So verbissen geht es weiter.


Et voilà: Ich stehe der Gletscherkante von Angesicht zu Angesicht auf etwa 5000 m gegenüber und weine vor lauter Glück. Es ist mitnichten ein sehr befreiendes Gefühl die Welt von oben zu sehen und für einige Augenblicke mit dem Himmel auf Augenhöhe zu stehen. Ein unbeschreibliches Gefühl!


Am Ziel: Vor den Gletscherkanten


Ein Stück weiter unten gibt es die einzige Refugio José Rivas in der wir uns alle wohl verdient einen heiße Schokolade gönnen. Man kann sich hier einen Stempel in seinen Reisepass drucken lassen zur Erinnerung an den eigenen Aufstieg. Leider habe ich ihn nicht bei mir. Ich weiß nicht, ob ich deswegen noch einmal wiederkommen werde...

In dieser Schutzhütte übernachten ganz sporadisch die Abenteurerer, die noch nicht genug haben und auch noch den Eisweg weiterkraxeln hinauf zum Gipfel. Na, viel Spaß!


Im Refugio beim Auftanken

Absteigen war nicht mehr die Kunst. Wir brauchen dafür eine halbe Stunde auf einen Weg direkt hinunter. Es scheint mir fast wie eine Belohnung zu sein, durch den staubigen weichen, aschfarbigen Sand genussvoll zu schlurfen... als ginge man zu einem Strand. Nun verstehe ich auch das Motivation- Chaka unseres Guías Alex zu Beginn des Marsches: "Vamos a la playa!"


Der Abstieg



Auf der Rückfahrt besichtigen wir eine Minilagune, fast eine Lagunita, la Laguna Limpiopungo, die uns in die sattgrüne Natur zurückbringt. Sie wird besucht von ein paar Wildpferden am anderen Ufer und von seltsamen Vogelarten.


Ich bin völlig erschöpft, unendlich müde von den noch wirren und kaum geordneten Eindrücken des Tages und hungrig von der gewaltigen Anstrengung. Auf dem Rückweg essen wir in einem unscheinbaren, aber schicken Restaurant direkt an der Carretera nach Quito zu Mittag. Ich bekomme vor Erschöpfung kaum einen Bissen hinunter, obwohl die Kartoffelsuppe und die mit Champions bereitete Pasta hervorragend schmecken. Mir fallen im Pickup später schon die Augen zu.


Furchtbar müde, aber unendlich glücklich, falle ich sofort in mein frisch hergerichtetes Hotelbett und ergebe mich dem tiefen Schlaf eines Murmeltiers.


Am nächsten Tag ging es mir wider erwartend gut: keinen brummigen Kopf, keine Schnupfnase, keine nennenswerten Muskel- oder Gelenkwehwehchen.


Na, dann auf zum Chimborazo!


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