Jhon zu begegnen, schien einer der glücklichen Zufälle in meinem Leben, der zur rechten Zeit am richtigen Ort eintraf.
Auf der Suche nach einer geeigneten Reiseagentur fand ich schließlich das Büro von "Runa Tupari" . Als ich eintrat, zog es mich intuitiv zu einem Angestellten, dessen indigenes Aussehen mich in seinen Bann sog: Jhon Chiza.
Im Gegensatz zu Reiseverkäufern in den begehrten europäischen Touristenorten bietet man hier und ganz in meinem Sinne sehr authentisch gestaltete Touren in bescheidener, wir würden sagen, nachhaltiger Form mit einheimischen Tourenbegleitern an, die viel selbst Gelebtes und Erlebtes erzählen. Dem Himmel sei gedankt, dass die Bustour- Stress- Massenabfertigung zu touristischen Attraktionen in europäischen Urlaubsorten hier noch nicht zur Kenntnis und zum Nachahmen gelangt sind. Und ich wünsche mir sehr, dass dies niemals geschieht.
Jhon verhandelte mit mir, geduldig meinem noch holprigen Spanisch zuhörend, eine Tour durch indigene Dörfer, die er, wie sich am nächsten Tag herausstellte, auch selbst als Guía begleitete. (in Outzeit 2019: Otavalo)
Natur, indigene Kunstwerkstätten, Lunch an einem Tag, 45$...Done! Er war wohl selbst erstaunt, wie schnell wir uns einig waren.
In den nächsten Tagen lernten wir uns aus verschiedenen Anlässen näher kennen.
Jhon ist Mitte dreißig, verheiratet und hat zwei reizende Kinder, Isabel und Janik, im Alter von vier und sechs Jahren. Er lebt mit seiner Familie in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Otavalo.
Jhon studierte englische Literatur und Sprache an der Universität in Ibarra und arbeitete als Lehrer an verschieden staatlichen Schulen in der Umgebung.
Für in paar Jahre ging er nach Bógota in Kolumbien um in einer Kunstgalerie in der Nähe des Museo del Oro als Verkäufer zu arbeiten.
Derzeit arbeitet er als Guía für die Reiseagentur "Runa Tupari" und ich finde, dass er dort einen seeehr guten Job macht.
Mi querido Guía Jhon ist für mich der Inbegriff eines echten Indigena mit glänzenden schwarzen Haaren zu einem traditionell Zopf geflochten, eine naturbraune auch sonnengebräunte Haut, einem warmen aufmerksamen Blick, wohlgeformte kräftige Lippen in einem innerer Ruhe ausstrahlendem Gesicht, mit breiter Brust, die durch das tiefe Durchatmen in der Höhe angepasst und mit unglaublich geduldigem und immer sanftem und vor allem stolzen Gemüt. Un guapo! Kurzum er ist begnadet mit der natürlichen Schönheit eines Indios, die mich von jeher fasziniert.
Er ist ein Otavaleño, der seine Kultur und Traditionen nicht nur genau kennt, sondern auch mit seiner Familie im Alltag lebt. An Feiertagen oder wenn die Familie an den Wochenenden unterwegs ist, tragen alle die traditionelle Kleidung, die indigoblauen Ponchos der Otovaleños, die bunt bestickten Blusen und Tücher, die Schnürsandalen. Es wird Kichwa gesprochen.
Kichwa? Er spricht Kichwa? Und er unterrichtet es sogar?
Mein Sprachenherz fängt glücklich an zu tanzen.
Kichwa (in Ecuador), häufig auch Quechua in Südamerika, vereint etwa 15 Varianten hier in Ecuador, die zumindest, was die Varianten hier in Ecuador betreffen, unterschiedlich zwischen 30 und 40 Prozent übereinstimmen.
Jhon ist bereit, mir ein bisschen Kichwa otovaleño zu lehren im Gegenzug für ein Sprachtraining seiner wenigen Französischkenntnisse... por supuesto!
Hier nun mein kleines Wörterbuch:
Allí puncha. Guten Tag! ari - na ja - nein
Allí chishi. Guten Abend! yupaichani - Danke.
Allí tuta. Gute Nacht! yanapaway - Bitte.
Imanalla. Wie geht's? Kishpichiway. Es tut mir leid.
Allimi. Gut.
Sumaklla. Bis später! Maypitak kanki. Wo bist du?
und mein Lieblingswort: wishi- wishi - Handy
Beide Sprachlehrer die wir sind, konnte ich mit Jhon ein bisschen über das Sprachsystem philosophieren.
Quechua zählt zu den ergativen Sprachen , dass heißt die Satzstellung ist besonders.
Es gab eigentlich keine Verschriftlichung der verschiedensten Quechua- Sprachen, so dass die Lautweise der spanischen Schrift angepasst wurde. Im Prinzip fällt dann die Aussprache nicht schwer. Eine Organisation hier in der Gegend bemüht sich um einen Erhalt und einer Neubelebung dieser traditionellen Sprache und Jhon unterrichtet sie gelegentlich in Abendkursen.
Abgesehen von seinem Kichwa-Wissen, brachte er mein Spanisch ein wenig auf Vordermann und war es nicht müde, mit sanftem Nachdruck und dennoch mit Geduld und Nachsicht mich zu korrigieren. Er ersparte mir ein "Refreshing" an einer Sprachschule, was eigentlich mein Plan war und die Privatstunden hätte ich mir genauso gewünscht. Und sein Französisch klang très charmant!
Während der Tour entlang der Laguna Cuicocha und in den Werkstätten indigener Handarbeit beeindruckte mich Jhon auch mit seinem scheinbar unerschöpflichen Wissen über Natur, Heilkunst, Zeremonien und Rituale seiner Kultur und zwar so nachhaltig, dass ich ihn am nächsten Tag in seinem Büro besuchte, um noch einmal mit ihm alles zu wiederholen. Der Anfang für einige weitere Plauderstündchen im Café Muyu oder bei einem Cerveza in der Bar.
Durch Jhon wurde mein Aufenthalt hier in Otavalo auch eine perfekte Bildungsreise. Er hat mich ankommen lassen hier in Ecuador, mich sozusagen "gebrieft" für die weitere Reise und mich sehr bereichert.
Er verriet mir ein Geheimnis:
Un besito ecuatoriano puede ser una pura experiencia.
Quizás. Quien sabe...
Yupaychani. Sumaklla. Vas a quedar en mi corazón para siempre.
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