Die portugiesische Fluggesellschaft TAP bringt mich am 1. März zunächst nach Lisboa. Der Coronavirus war mir nach Europa vorausgeeilt. In meinem Gepäck nahe bei mir stecken eine Flasche Desinfektionsmittel und ein paar Stoffhandschuhe, die noch gar nicht das Licht außerhalb des Koffers erblickt hatten und nun doch irgendwie einen Sinn machen.
Lisboa ist eine prächtige und dankbare Stadt für einen Empfang in Europa, dass ich fast acht Monate nicht mehr gesehen habe. Bevor es weiter geht nach Málaga, entscheide ich mich, die sieben Stunden Zwischenaufenthalt für ein Speed-Sightseeing der City zu nutzen. Sie ist flink mit der U-Bahn (30 Minuten) zu erreichen.
(Ursprünglich sah mein Reiseplan einen Rückweg über das noble Lisboa und das rauh windige dennoch beliebte Porto vor. Aber der Coronasturm fegte diesen Plan mit raschem Tempo und heftigen Auswirkungen einfach mal so fort.)
Als ich schließlich in die Innenstadt falle, empfängt mich strahlender Sonnenschein und eine lauer Wind, der nach einer salzigen Meeresbrise riecht und das Wasser in der Nähe erahnen lässt. Wow! Was für ein markanter Kontrast: Die prächtigen Fassaden, die südländisch bunte gemusterte "Azujelos" schmücken, prägen hier fast durchgängig die Straßenzüge und Gassen der Stadt, während sie in den kolonial geprägten Städten Brasiliens eher vereinzelt vorkommen und die Gebäude, die überlebten, sind halbherzig restauriert. Vielleicht blieb dieser Teil der Vergangenheit ja tiefer fremd und schmerzlich in den Herzen südamerikanischer Kulturen hängen als wir und sie selbst es glauben. Aber realistisch gesehen fehlt dort schlicht auch das nötige Geld für die Erhaltung von historischem Kulturerbe.
Es ist einer dieser Momente, in denen ich darüber nachsinne, wie folgenreich und tiefgreifend die dreihundertjährige Conquista die lateinamerikanische Kultur verändert und wie sehr sie doch leidliche Spuren bis heute hinterlassen hat. Gibt es in der heutigen portugiesischen und spanischen Gesellschaft eine Reflexion über diesen Teil der Historie? Setzt man sich in ihren Geschichtsbüchern kritisch mit kolonialen Eroberungen stolzer royaler Herrscher auseinander, deren kostbare Sarkophage in prächtigen Mauseleen und Kapellen bewundert werden ? Stellt man sich Fragen der Schuld, der Wiedergutmachung an diesen Völkern? Gibt es eine Erinnerungskultur an diese Zeit in den jungen Generationen Spaniens und Portugal ? Ich weiß nichts darüber, habe selten Einheimische darüber reden hören, sie nicht gefragt...
Ich verdränge meine anstrengende Nachdenklichkeit und lasse mich treiben von der frühlingshaften Laune der Stadt, in der die Menschen ihren Kaffee in den so unzähligen Straßencafés genießen. Die traditionellen "Natas", ein kleines Blätterteig- Törtchen gefüllt mit Vanillecreme , liegen verführerisch in jedem Schaufenster von Bäckereien, die den unwiderstehlichen Duft frischer Backwaren verströmen und Appetit auf noch mehr Leckereien machen.
Leider habe ich wenig Zeit zum Verweilen und auch die Fotos müssen noch warten...
Ich ahne ja nicht, dass Lisboa noch einmal länger auf mich warten muss.
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