top of page
  • AutorenbildSylvia Thiel

Patagonien - W-Trek - Anfang November

Aktualisiert: 15. Nov. 2019

Diesen Artikel widme ich meiner W-Trek-Crew und unserem exzellenten Guía Diego Guerrero, die meine fünf Wandertage in Patagonien zu einem unvergessenen und einmaligen Erlebnis werden ließen. You made my days in Patagonia, guys!


1. Tag: Mit dem Bus zum Torres del Paine Nationalpark


Wir starten am 5. November im strömenden Regen mit dem Bus von Puerto Natales in den Nationalpark Torres del Paine zum Refugio Central und sehen zunächst einmal nur ein trauriges Patagonien. Aber Diego bringt das nicht aus der Ruhe und hält das für eine von vielen Wetterlaunen Patagoniens. Er stimmt uns optimistisch, erst recht mit einem Welcomedrink im Refugio Central und einem leckeren Abendessen, bei dem wir uns gut gelaunt kennenlernen und auf spannende Tage freuen.


Diego, unser guía aus Chile


Diego wohnt unweit von Puerto Natales, ist 28 Jahre alt und steckt mitten in seinem Jurastudium. Er liebt Patagonien leidenschaftlich ebenso wie seine Natur und Geschichte. Allein mit seinem Bike oder auch in Gruppen beim Wandern hat er den riesigen Nationalpark mehrfach durchstreift, uns mit seiner Leidenschaft angesteckt und oft auch ins Staunen gebracht. In den nächsten Tagen hat er nicht nur stets den Sonnenschein im Gesicht, sondern zieht ihn auch garantiert in genau den Momenten aus seiner Tasche, an dem wir ihn so nötig brauchen, um die einzigartigen Naturwunder in Patagonien, auf die wir mitunter mühsam zuwandern, in all ihrer majestätischen und vollendeten Erscheinung festzuhalten und zu bestaunen. Mit kleinen Überraschungen hier und dort sorgt er dafür, dass wir sie innigen Momenten für uns selbst genießen und sie in unserer Erinnerung für immer mitnehmen.


Marina und Isabell aus der Schweiz begutachten für ihre Reiseagentur Hotels und Angebote in Südamerika und genießen dennoch diesen Urlaub mit uns in stets heimatlich forschen Wanderschritt voraus.


Maren aus Köln ist froh ihres Büros entkommen zu sein und zählt nun unsere täglichen Fitness-App-Schritte, die wir manchmal selbst nicht glauben können. Wir sind ein Teil ihres Urlaubs in Chile, bevor sie nach San Pedro weiterzieht.


Moricio aus Kolumbien verbringt eine Woche mit uns, ohne seine kleine Familie, die sich, so sagt er, von ihm erholen will, und gibt uns als stiller Begleiter und Profi-Arzt das Gefühl, immer sicheren Schrittes und allzeit medizinisch gut behütet zu sein.


Ian und Sandra aus Nordengland sind ein erstaunlich ausdauerndes und erfahrenes Wanderpaar, dass wir auch deshalb ins Herz schließen, weil sie uns wie ein ewig im Honeymoon schwebendes Ehepaar erscheinen, dass in uns selbst viel innere Harmonie einkehren lässt. Nach dem W-Trek ziehen sie zum Wandern nach El Calafate, dem argentinischen Teil Patagoniens weiter. Unschlagbares Team!


Und ich bin natürlich auch dabei...


In den gemeinsamen Tagen sind wir zu einem wirklich coolen Team zusammen gewachsen. Wir alle müssen innerlich wütenden Schweinehunde auf der mitunter harten und langen Wanderstrecke durchleiden. Aber wir haben uns als Stütze, vor allem aber wunderschöne Pfade und traumhafte Naturlandschaften und viel Spaß zusammen.

We are so proud of us! We made a great job!


2.Tag: Torres del Paine und Condors - 19,5 km - ca. 8 Stunden



Jeder Morgen beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück und mit einem Briefing von Diego, der uns etwas über die Wanderstrecke und deren Höhepunkte erzählt, aber auch darüber, ob das Wetter mitspielt oder eventuell einen Strich durch die Rechnung machen würde. Und nein... niemals, während der ganzen Zeit kam es unpassend, wohl auch, weil Diegos Wetter-Timing auf den Punkt passte. Patagonien bietet in dieser Hinsicht das volle Programm: Regen, Schnee, Wind und Sonnenschein. Es ist immer unberechenbar und voller Überraschungen.


So sind wir zunächst nicht sicher, ob wir über den Vientos Pass (Windy-Pass) zum Camp El Chileno kommen würden. Doch Diegos Wetteramt öffnet uns den Weg nebst einzigartige Ausblicke über das Tal und dem Rio Ascencio.


Auf dem Rückweg erscheinen die Bilder vor uns noch einmal im Sonnenschein, gekrönt von majestätisch schwebenden Kondoren über unseren Köpfen. Was für ein Schauspiel!


Condor-Paare, so wird erzählt, bringen Regen und irgendwie traf der auch immer kurz danach ein... So sehr wir diese majestätisch fliegenden Vögel bewundern, den Regen danach nehmen wir weniger gelassen.


Woran nur erkennen sie das?





Wir erreichen schließlich das Camp "El Chileno" und gönnen uns eine kurzen Snack.

Die Pferde sind leider nicht zu mieten und dienen ausschließlich dem Versorgungstransport des Refugios, da nur diese Tiere schlank genug über den Vientos Pass kommen. Von dort geht es durch einen Lengabaumwald und wir überqueren auch mehrfach den Rio, an dem wir das frische Quellwasser in die Trinkflaschen auffüllen.

Über die Moräne geht es hinauf über den steinigen Kletterpfad zum Mirador Torres del Paine, der uns hoffentlich sein Antlitz bei Sonne zeigen wird. Diego verspricht ein "window clear" für die Bilderbuchfotos und eine Menge" paths up and down" und später sogar ein bisschen Schnee . Das ist uns erstmal lieber als Regen, aber der 700 m lange Abstieg auf verschneiten und vereisten Felsbrocken ist dann doch später eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe für den ersten Wandertag.


Und dann kommt dieser Augenblick, wo alles stimmt. Die Sonne reißt das Wolkenfenster auf und die drei Türme, die Torres del Paine, schauen zunächst zaghaft hinaus und zeigen sich uns schließlich in atemberaubender Schönheit. Fast schon demütig verneigt man sich vor diesem überwältigenden Anblick und steht regungslos mit staunenden Augen und unfassbarem Glücksgefühl. Eine kleine Lagune vor diesem in Schnee eingetauchten Felsensemble vervollkommnet das Naturgemälde in harmonischer Art und Weise. Diego zaubert dazu einen heißen Schokocapuccino aus seiner Tasche und wir sitzen zufrieden beieinander und bestaunen andächtig diese Felsriesen mit der eisigen Lagune. Wie heißt sie noch, Diego?

Auf dem Rückweg ins Camp Central begleiten und unterhalten uns die Erlebnisse an den Torres del Paine innerlich, was die Strecke und die Zeit irgendwie schneller verstreichen lässt. Alle sind zufrieden, wir, weil wir vor diese einzigartigen Felsformation erlebten und Diego wahrscheinlich, weil er uns damit so richtig glücklich gemacht hat!


3. Tag : Lagunas - Lagos - Fjorde - Los Cuernos - 13, 5 km - ca. 6 Stunden


Raus aus dem Zelt - Frühstück - Briefing - Los geht es!


Diego meint, der Tag wird weniger anstrengend. Mit vollem Gepäck? Sehr zweifelhaft!

Dennoch sind wir guter Dinge, wenn auch der erste Tag uns schon deutlich in den Muskeln hängt. Es nieselt ein wenig, aber es ist halb so schlimm und verzieht sich bald.


Heute lehrt uns Diego viel über die Flora und Fauna Patagoniens und erklärt uns, wie das Ökosystem dieses riesigen Gebiets zusammenspielt.


Unterwegs wandern wir durch eine weite Heidelandschaft, deren Gewächse riesige Mengen Wasser in der Erde speichern, Sträucher, die die reifen und genießbaren Beeren des Calafate-Getränks tragen, exotische Büsche mit rotleuchtenden und Nektar tragenden Blüten, haarig- bärtige Flechten auf Baumstämmen und allerlei Moosgewächse. Sandra und Ian erweisen sich bald als die "Klassenbesten" beim Entdecken, Erkennen und Erlernen dieser Pflanzenwelt... Diego freut es!


Nach einer Weile erscheinen zwischen all dieser Blütenpracht die Felsentürme Los Cuernos, die wir aber erst am folgenden Tag bei klarem Himmel ganz genießen.


An unserer Seite begleitet uns heute der größte See Patagoniens, der Lago Nordenskjöld, der uns immer wieder eine andere sehenswerte Seite zeigt und uns einmal auch an einen Strand einlädt. Der Weg ist oft steinig, hat zwei ordentliche Anstiege, rutschige abfallende Strecken und es regnet ab und zu, was uns die Kondore, die uns manchmal begleiten ja irgendwie in Aussicht gestellt haben. Diego macht ein bisschen Tempo. Wir wollen nicht im Camp Los Cuernos bleiben, sondern im neu erbauten Refugio Francès etwa 2 Stunden weiter unser neues Lager aufschlagen.

Unterwegs zwingen mich jedoch das schwere Gepäck, der "slippery-rock-path" und ein kleiner Kräfteschwund zu einem schmerzhaften Kniefall, deren Wehwehchen alle mit mir bis zum Refugio Los Cuernos mitleiden, bevor Doktor Diego und Schamane Moricio es noch einmal untersuchen, medizinisch versorgen und mit Eis verhätscheln. Es wirkt Wunder!Ich komme ohne Probleme ans Ziel, wohl auch weil Diego immer wieder fragt: "Tu rodilla esta bien?"


Im strömenden Regen erreichen wir das Refugio Francès und sind den Abend damit beschäftigt, unsere Sachen am Kamin zu trocknen. Wir genießen nicht nur unseren Welcomedrink...





Diego hat wieder eine Überraschung parat. Er unterhält uns mit einer Kostprobe aus seinem Opernrepertoire:








4. Tag: Glacier Francès - Verbranntes Patagonien - 20,5 km - ca. 9 Stunden

Heute ist Gletscher- Tag. Für viele von uns ist es der härteste Tag. Je nach persönlicher Wandererfahrung merken wir unserer physische Verfassung: die Füße schmerzen, die Muskeln den Beinen sind seit Tagen strapaziert, die Kniegelenke quietschen, es fehlt ein wenig Schlaf, die Kälte ist ungemütlich und die Kräfte schwinden... es ist eine körperliche Anstrengung, die bis an die Grenzen geht. Trotzdem denkt niemand ans Aufgeben. Die fast schon dramatischen Naturschauspiele und Berglandschaften, die wechselnden Wanderpfade, der frische Wind Patagoniens und ein aktiv erholendes Körpergefühl reizen jeden Tag neu zu entdecken und zu erleben.

Patagonien ist echt großes Kino!

Also Rucksack schnüren und auf zu den Gletschern! Den ersten Teil wandern wir mit vollem Gepäck durch den "Zauberwald". Im Camp Italiano können wir den größten Teil unterstellen, bevor es nun oft bergauf und vor allem flussaufwärts am Rio Francès entlang geht. Auch jetzt füllen wir unsere Wasserflaschen mit seinem frischen Quellwasser auf.


Auf dem Weg hinauf schauen wir heute bei klarer Sicht auf die Granitfelsen Los Cuernos, "die Hörner", die Zeugen einer langen Erosionsgeschichte sind. Sie beeindrucken durch ihre unterschiedlichen Färbungen in den Sediment- und Granitschichten.


Nach einem beschwerlichen, steinigen Aufstieg zum Aussichtsplateau Mirador Francès stehen wir dem ersten Gletscher unserer Wanderung gegenüber. Er hat sich unterwegs immer mal wieder gezeigt und dann hinter die Wolken verzogen. Als wenn er auf uns gewartet hat, erstrahlt er nun im weißen Gewand und viel Getöse.

In der Frühlingsschmelze lösen sich mit tosendem Grollen Schneelawinen von den Gletscherhängen. Obwohl sie häufig sind, ist es schwer sie auf den Bildern einzufangen. Aber es lohnt sich meistens, sie einfach so gewaltig herunterrollen zu sehen. Kino eben.

Diego will mit uns noch zu einem weiteren Ausblick, dem Mirador Británnico hochsteigen. Schnee und Eisglätte lassen uns aber vernünftigerweise umkehren. Auch steht uns noch einmal eine Wanderstrecke von gut zwei Stunden bis zu unserem nächsten Camp bevor. Wir sind also nicht unbedingt enttäuscht, den Gletscher nicht auch noch von der anderen Seite bestaunt zu haben... vielleicht beim nächsten Mal?


Die Landschaft verändert sich plötzlich. Wir sehen riesige Flächen von "Baumskeletten" und die Geschichte von Diego zu deren Entstehung macht uns sehr betroffen und still.


Ende 2011/Anfang 2012 brach ein Feuer aus, das 14 000 Hektar Waldfläche zerstörte. Diese Naturkatastrophe verursachte ein Tourist, der bei patagonischem Wind Toilettenpapier verbrannte und so das Feuer auslöste, das sieben Tage lang in diesem Naturpark wütete. Wir gingen auch am nächsten Tag lange durch diesen Naturfriedhof schweigend und immer unfassbar betroffen.




Nach einem langen Marsch auf einer windgepeitschten Ebene erreichen wir das Refugio Paine Grande am tiefblauen Lago Pehoé gelegen auf seiner Rückseite ragen die Los Cuernos kerzengerade gen Himmel. Auf diesem Campingplatz werden wir unsere letzte Nacht verbringen.



5. Tag: Lago Grey - Grey Glacier - Mit dem Katamaran über den Lago Pehoé nach Puerto Natales - 10 km - 4 Stunden


Nach einem Frühstück in aller Frühe geht es sofort los und ziemlich strammen Tempos Richtung Eisberge und Gletscher Grey.


Das Zeitfenster war eng, denn kurz vor Mittag wartet der Katamaran, um uns über den Lago Pehoé zurück nach Puerto Natales zu bringen.




Der Lago Grey begleitet uns während der gesamten Wegstrecke. Die angrenzenden Berge spiegeln sich in seinem Wasser. Je mehr wir uns dem Grey Gletscher nähern, desto öfter sehen wir die Eisberge im See schwimmen. Nach ein paar weiteren Schritten schauen wir bei strahlenden Sonnenschein und ohne Wind auf die eisigen Flächen des wunderschönen Grey Glaciar. Selbst Diego ist beeindruckt angesichts des Ausnahmewetter, das uns eine Postkarte der Eislandschaft beschert.

Er erzählt uns, dass der Gletscher seit gut 5 Jahren etwa 400 m pro Jahr zurückschmilzt, ein Phänomen der globalen Klimaerwärmung. Im Bild 4 sitzt Diego mit hellem Basecap an der Stelle, an dem es vor noch einigen Jahren Gletschereis gab.


Kein Ökosystem zeigt so detailliert auf jeder unserer Wanderungen in den letzten Tagen die Verletzlichkeit und die schmerzhaften Folgen der globalen Klimaerwärmung wie das des weiten Patagoniens.


Hier auf dem Aussichtsplateau gemeinsam mit euch zu sitzen, lässt mich überglücklich auf das ganze Abenteuer der letzten Tage blicken und dankbar sein, dass gerade ihr es mit mir geteilt habt. Es war einfach ein perfektes Timing euch zu treffen.

Der Rückweg ins Camp ist am Ende fast ein Sprint und kurz nachdem wir eilig nach unseren Rucksäcke greifen, sehen wir auch schon den Katamaran einfahren, der uns über den Lago Pehoé navigiert, nicht ohne uns bei Sonnenschein das letzte bezaubernde Panorama des Berg Paine Grande und den Cuernos del Paine für immer in unsere Erinnerungen zu meißeln.


Wir können einfach nicht so auseinander gehen und treffen uns mit Diego zu einem Abschiedsessen in der Pizzeria Guayano in Puerto Natales, gründen eine WhatsApp-W-Trek Gruppe, um in Kontakt zu bleiben und gehen weiter unsere verschiedenen Reisewege mit all den unvergesslichen Erlebnissen dieser Patagonien-Tour und mit tausend wunderbaren und einzigartigen Erinnerungen.


Thank you to Diego and my wonderful team for this unforgettable adventure!










72 Ansichten1 Kommentar

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

1 commentaire


Mauricio Gonzalez Hernandez
Mauricio Gonzalez Hernandez
16 nov. 2019

Hallo Sylvia. Ausgezeichneter Artikel. Es ist das anschaulichste und visuellste, das ich von dem Trekking in allen Sprachen gesehen habe. Vielen Dank für das Teilen mit allen. Grüße

J'aime
bottom of page